Also erzähl mir davon!

Wenn ich von meinen quietschenden Gelenken, meinem schmerzenden Rücken, dem schlechten Gehör, schwindenden Augenlicht und langsameren Gedächtnis rede, oder über die Unfähigkeit, Wasser zu halten wenn ich zu sehr lache, und viele Dinge mehr, die ich Dir ersparen will – machen diese mich nicht „alt“? Oder noch schlimmer: Muss ich leugnen, dass ich abbaue und so tun, als wäre ich genauso fit wie die jungen Leute?

Hmm, hmm. Nicht so schnell! Sicher, alles Mechanische bewegt sich immer weiter Richtung Totalversagen. Obwohl, auf wundersame Weise ist der menschliche Körper ziemlich gut darin, sich zu erneuern, in vielerlei Hinsicht sogar darin, sich zu verbessern. Nicht, dass man in der Lage wäre, so schnell wie ein Marathonläufer zu rennen, aber das Ziel besteht darin, weiterzulaufen und die Blutzirkulation aufrechtzuerhalten, um die wichtigsten Organe zu versorgen, was schließlich den Unterschied zwischen richtigem Leben und Dahinschwinden ausmacht.

Der Verstand kann in einem reiferen Alter tatsächlich viel besser arbeiten, obwohl er vielleicht ein wenig langsamer in der Verarbeitung ist. Wegen seiner praktisch unbegrenzten Speicherkapazität verfügt er über Wissensreserven, auf die nur die chronologisch ältere Person zurückgreifen kann. Außerdem hat er viel mehr Erfahrung in der Verarbeitung als jedes Kind jemals haben könnte.

Der bedeutende Unterschied ist meiner Meinung nach, ob man sich selbst als eine normale, erwachsene Person sieht, die das verfolgt, was ihr am besten liegt, oder als einen etwas abgenutzten Mechanismus in ständigem Verfall. Wenn man letzteres glaubt, dann ist man das auch, ohne Frage, denn das gesamte Selbst ist davon überzeugt, so zu denken und zu fühlen. Aber das muss man nicht glauben, zumindest nicht so leicht. Und starke Köpfe und Körper können es völlig verweigern.

Schaut man zurück auf die Natur, seien es Kaninchen, Wale oder Adler: Sie alle werden geboren, sie wachsen, leben und leben, und dann sterben sie. Sie leben kein normales Leben bis zu, sagen wir, ihrem mittleren Alter und bauen dann ab, von maximalem zu minimalem Leben, bis sie sterben. NEIN. Tiere sind unterwegs, jagen ihre Beute, tun all die Dinge, die sie immer tun, bis zu dem Tag an dem sie sterben. Was nicht heißt, dass ihr Körper (oder Geist) nicht abgebaut hat. Sehr wahrscheinlich ist es so, jedoch verjüngen sich Körper und Geist meist jeden Tag genügend, bis zu dem Tag, an dem der Prozess endet und die Kreatur tot umfällt oder irgendwie stirbt.

Die Art und Weise, wie wir Menschen in unserer heutigen Kultur den gleichen Prozess wahrnehmen ist, dass wir den Großteil unseres Erwachsenenlebens damit verbringen, zu arbeiten. Dann wechseln wir von Arbeit auf Ruhestand, je nach Gesellschaft mit 55 oder 65. Dieser Zeitraum soll hauptsächlich dazu dienen, nichts zu tun, sich der aktiven Teilhabe an der Welt zu entziehen und sich von anderen bedienen lassen, bis man nach langwierigem Verfall in allen Bereichen stirbt.

Also, wenn wir so denken, dann wird es auch ganz bestimmt so sein. Natürlich gibt es viele, viele Gründe, warum die Gesellschaft heute so denkt, basierend auf spirituellen, religiösen, politischen und anderen Vorstellungen. Nur nicht auf gesundem Menschenverstand, meiner bescheidenen Meinung nach.

Ich kann verstehen, wie es dazu gekommen ist. Die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert produzierte fleißige Arbeiter, deren Körper und Geist an die Grenzen ihrer Fähigkeiten gedrängt wurden. Dann, kurz bevor sie zusammengebrochen wären, schickte man sie in den „Ruhestand“, um die hauptsächlich körperliche Ausbeutung, die sie so lange ertragen mussten, wiedergutzumachen, indem man ihnen ein angenehmes Leben des „Nichtstuns“ bis zum Ende gab. Meiner Meinung nach ist das oberflächliches Geschwafel. Es ist das menschlich verzerrte Bestreben, „die Zeit zu füllen“, in diesem Fall auf eine ausbeuterische Weise der „Arbeit“, und dann wird das schlechte Gewissen für so eine schlechte Wahl des Zeitvertreibs mit einer ebenso unnatürlichen und verzerrten Zeit der „goldenen Jahre“, genannt „Ruhestand“ besänftigt.

Natürlich werden wir die Vergangenheit nicht ändern. Und ohne Zweifel haben sich die schlausten Köpfe ihrer (und teilweise unserer) Zeit diesen Prozess erdacht. „Arbeit“ und „Ruhestand“ wurden als vernünftige, in deren Meinung vielleicht sogar Gottgegebene Formel für die Nutzung unseres Lebens angesehe

Mit dem Vorteil zurückschauen zu können, muss ich sagen, dass meiner Meinung nach der gesunde Menschenverstand völlig anders hätte arbeiten sollen. Ja, ich glaube, dass „die Zeit zu füllen“ Teil des Menschseins ist, allerdings nicht unbedingt als ein vorgeschriebener Gegenstand unseres Lebens, wie Essen, Trinken oder Fortpflanzung, sondern einer, welcher notwendigerweise für weit mehr Zwecke gedacht ist. Dazu gehört auch, die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen, aber darüber hinaus viel viel mehr, einschließlich dem Greifen nach den Sternen.

Je nachdem von welcher Perspektive wir schauen, von einem spirituellem, religiösem, politischem oder streng individualistischem Blickpunkt; ich denke, dass wie wir unsere Zeit füllen, uns als Menschen bestimmt und welche Art Mensch wir sind, nur weil wir in der Lage sind, nach den Sternen zu greifen.